Diagnose

Diagnose von Angsterkrankungen

Wer diagnostiziert?

Dies sind in erster Linie Hausärzte (praktische Ärzte, Allgemeinmediziner, Internisten) und Spezialisten für Angsterkrankungen die eine Diagnose durchführen. Unter Spezialisten werden Ärzte für Psychiatrie und Psychotherapie, Ärzte für Psychotherapeutische Medizin, Nervenärzte sowie qualifizierte ärztliche und psychologische Psychotherapeuten verstanden. Um Angsterkrankungen frühzeitig diagnostizieren und adäquat behandeln zu können, ist eine intensive Fort- und Weiterbildung von Hausärzten sowie Spezialisten zu fordern.

Fachleute anderer medizinischer Fächer, beispielsweise Kardiologen oder Neurologen sind nur bei entsprechenden Fragestellungen von Hausärzten sowie Spezialisten zu fordern.

Fachleute anderer medizinischer Fächer, beispielsweise Kardiologen oder Neurologen sind nur bei entsprechenden Fragestellungen wie Abklärung von Tachykardien, Herzrhythmusstörungen oder systematischem Schwindel gezielt hinzuzuziehen.

Ziele der Diagnostik

Je nach Stufe in der Versorgung sind die Ziele verschieden. In der hausärztlichen Praxis geht es zunächst darum, Ängste bzw. Angsterkrankungen als solche überhaupt zu erkennen, beispielsweise bei entsprechenden körperlichen oder psychischen Symptomen eine mögliche Angsterkrankung in Erwägung zu ziehen.

Des Weiteren gilt es, ursächliche oder begleitende körperliche und psychische Erkrankungen zu identifizieren bzw. auszuschließen. Die Feststellung, um welche Form der Angsterkrankung es sich im Einzelnen handelt, die exakte Diagnosestellung und klassifikatorische Einordnung kann und muß in der Regel nicht vom Hausarzt geleistet werden. Für ihn ist es wichtiger, entscheiden zu können, wann die Hinzuziehung eines Spezialisten erforderlich ist.
Bei erheblichen diagnostischen Unsicherheiten, schwierigen differentialdiagnostischen Abgrenzungen von anderen psychischen Erkrankungen, deutlicher Beeinträchtigung, insbesondere infolge Komorbidität (Begleiterkrankung), sollte in jedem Fall umgehend ein Spezialist für Angsterkrankungen hinzugezogen werden. Es ist diesbezüglich in erster Linie die Qualifikation und weniger die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe (Arzt, Diplompsychologe) wesentlich. In der Phase der Krankheitserkennung dürfte dies in der Regel ein Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder ein Arzt für Psychotherapeutische Medizin sein.

Aufgaben des Spezialisten sind die Bewertung somatischer Diagnostik und eventueller körperlicher und psychischer Komorbidität, ggf. auch die Durchführung oder Veranlassung zu spezieller somatischer und psychiatrischer Diagnostik. Weitere Aufgaben sind die Erhebung einer störungsspezifischen Anamnese, die genaue Diagnosestellung und Klassifikation, die Durchführung therapierelevanter Diagnostik und die Erstellung eines Behandlungsplans. Der Spezialist muß über sämtliche Untersuchungsbefunde, zumindest diejenigen seit Erkrankungsbeginn, informiert sein.

Basisdiagnostik

Als Basisdiagnostik ist erforderlich: Eine symptomorientierte Anamnese bezüglich körperlicher und seelischer Erkrankungen. An sie schließt sich eine gezielte Anamnese an, in der geklärt werden soll, ob eine Angsterkrankung vorliegt und in der typische körperliche und psychische Symptome und Aspekte der Angst erfragt werden. Wenn sich Hinweise für Ängste bzw. eine Angsterkrankung ergeben, ist weiter zu eruieren, ob Angstattacken oder chronische Angst vorliegen, ob sich situative Auslöser finden lassen, ob Erwartungsangst besteht. Art und Umfang eines eventuellen Vermeidungsverhaltens sind zu erfassen sowie das Ausmaß der sozialen Behinderung. Sinnvoll, jedoch nicht zwingend sind Anamnesefragebögen sowie Fragen nach zentralen Befürchtungen.

Basisdiagnostik

Bild: aboutpixel.de / Herzklopfen © Kirsten Oborny

Jeder Patient mit Ängsten muß umfassend körperlich untersucht werden, es sei denn, die körperliche Untersuchung wurde in einem kurz zurückliegenden Zeitraum im Hinblick auf die aktuelle Symptomatik bereits durchgeführt. Diese Aufgabe soll in der Regel von Hausärzten geleistet werden. Die Basisuntersuchung sollte ein Screening für Störungen des Zuckerstoffwechsels und der Schilddrüsenfunktion, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenerkrankungen, Abhängigkeitserkrankungen, Tumoren und neurologische Erkrankungen beinhalten. In der Regel schließt sie ein: Blutbild, Elektrolyte, Blutzucker, Schilddrüsenwerte (TSH-Basalwert, freies T3, freies T4), Leberwerte (Gamma-GT, Transaminasen), EKG und ggf. Langzeit-EKG.

Der Hausarzt muß in dem Zeitraum von der Indikationsstellung zur Untersuchung und ggf. Therapie durch einen Spezialisten weiter eine unterstützende Haltung einnehmen und durch ausreichend frequente Beratung erfahrbar machen.

Der Spezialist sollte eine (vorläufige) diagnostische Einordnung, geleitet an der ICD-10oder dem DSM-IV vornehmen. Für die ICD-10 spricht, daß sie in Deutschland eingeführt ist bzw. wird und in Kliniken danach klassifiziert werden muß. DSM-IV hat unter Forschungsgesichtspunkten Vorteile, da viele Studien das DSM verwenden. Eine klassfikatorische Einordnung ist im Hinblick auf die Therapie allerdings nicht ausreichend. Eine weitere Anforderung an den Spezialisten ist die Erhebung der störungsspezifischen Anamnese.

Fragen nach Umständen beim ersten Auftreten der Symptomatik, nach Auslöser, Dauer, Dynamik und zeitlichem Verlauf der Symptomatik, Vorbehandlungen, dem subjektiven Krankheitsverständnis des Patienten sowie möglichen Funktionen der Angst sind zu klären. Im Rahmen der biographischen Anamnese sind je nach Schwerpunkt des (psycho)therapeutischen Arbeitens Informationen bezüglich verursachender, auslösender und aufrechterhaltenden Bedingungen der Symptomatik einzuholen bzw. frühe Traumatisierungen und/oder Entwicklungsschäden, Art der Objektbeziehungen, Beziehungs- und Interaktionsmuster, Abwehrmechanismen sowie das Strukturniveau der Persönlichkeitsorganisation zu erfassen. Nicht zuletzt müssen auch die Ressourcen des Patienten ausgelotet werden.

Die Durchführung therapierelevanter Diagnostik obliegt in der Regel dem Spezialisten, kann – je nach Ausbildungsstand – aber auch vom Hausarzt vorgenommen werden, beispielsweise im Hinblick auf Kontraindikationen bei einer Pharmakotherapie.

Im Einzelfall nützliche zusätzliche Diagnostik

Weitere, über die skizzierte Basisuntersuchung hinausgehende Diagnostik ist angezeigt, falls die Symptomatik auf Störungen bestimmter Organe/Organsysteme hinweist. Zum Beispiel kann bei persistierendem oder einem systematischen Schwindel eine zusätzliche fachärztliche Untersuchung (Neurologie, HNO) erforderlich sein. Art und Ausmaß der Diagnostik sollte vom Facharzt bestimmt werden. Bei Verdacht auf komplex partielle Anfälle (Epilepsie) muß eine neurologische Untersuchung mit EEG und gegebenenfalls Computer- und Kernspintomographie durchgeführt werden. Bei Tachykardien und Verdacht auf Herzrhythmusstörungen sollte Art und Ausmaß der Zusatzdiagnostik vom Kardiologen und/oder Endokrinologen bestimmt werden.

Überflüssige Maßnahmen

Liegt aufgrund der Basisuntersuchung eine charakteristische Angststörung ohne weitere Erkrankungen vor, sind keine über die Basisdiagnostik hinausgehende Untersuchungen angezeigt.

Wenngleich eine sorgfältige, insbesondere auch somatische Diagnostik unabdingbar ist, ist aber auch eine Begrenzung der Diagnostik wichtig. Im Rahmen der psychischen Grunderkrankung besteht die Gefahr durch mannigfache Wiederholung und Ausdehnung somatischer Diagnostik eine begleitende hypochondrische Symptomatik zu verstärken. Hypochondrische Ängste sind bei Patienten mit einer Panikstörung und generalisierten Angsterkrankung häufig. Hundertprozentige diagnostische Sicherheit ist durch ausufernde und angstbegründet wiederholte somatische Diagnostik prinzipiell nicht zu erreichen. Ein Zuviel an Diagnostik und ständige Wiederholungsuntersuchungen sind therapeutisch schädlich. Sie können zu einer iatrogenen Fixierung und Chronifizierung einer Angsterkrankung beitragen.

Quelle

Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Angsterkrankungen

Titel: Leitlinien zur Diagnostik und Therapie von Angsterkrankungen Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie, Band 2 Herausgeber: Dengler, W.; Selbmann, H.-K. Verlag: Steinkopff, 2000 ISBN: 978-3-7985-1191-0 Seiten: 9-14 Publikation ist vergriffen!

 

 

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1 Kommentar » Schreibe einen Kommentar

  1. Danke für diesen Beitrag über die Diagnose von Angsterkrankungen. Ein Freund von mir hat auch an Panikattacken gelitten und sich neben vielen anderen Untersuchungen auch einer neurologischen Untersuchung unterziehen lassen. Guter Hinweis, dass der Hausarzt eine unterstützende Haltung einnehmen sollte.

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